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News | Umwelt und Klimaschutz
02.12.2021

Kalksandsteinindustrie nimmt Kurs auf die Klimaneutralität (von Roland Meißner)

Mit dem Green Deal und dem Circular Economy Action Plan hat die EU die Weichen in die „grüne“ Zukunft gestellt. Die Bauwirtschaft und mit ihr die Kalksandsteinindustrie stehen dabei in einem besonderen Spannungsverhältnis. Einerseits werden bei der Herstellung von Baustoffen CO2-Emissionen verursacht. Andererseits sind die ambitionierten Klimaziele ohne die Bauwirtschaft nicht erreichbar. Wir als Kalksandsteinindustrie sind uns unserer gesellschaftlichen Verantwortung bewusst und werden einen aktiven Beitrag zur Erreichung der Klimaziele leisten.

Roland Meißner ist seit 2013 Geschäftsführer beim Bundesverband Kalksandsteinindustrie e.V.
Roland Meißner ist seit 2013 Geschäftsführer beim Bundesverband Kalksandsteinindustrie e.V.

Der schrittweise Umstieg auf regenerative Energien, der verstärkte Einsatz von Recyclingmaterialien sowie die Reduzierung des CO2-Ausstoßes um 40 Prozent gegenüber 1990 zeigen, dass Klimaschutz für unsere Branche kein Lippenbekenntnis ist. Die neutrale Umwelt-Produktdeklaration (EPD) bescheinigt unseren Produkten bereits heute einen geringen CO2-Fußabdruck. In den nächsten Jahren werden wir unsere Anstrengungen in Bezug auf den Klimaschutz noch weiter erhöhen. 2020 hat die Kalksandsteinindustrie einen Prozess gestartet, der einen detaillierten Fahrplan in die Klimaneutralität bis zum Jahr 2045 zum Ziel hat. Mit wissenschaftlicher Unterstützung der FutureCamp Climate GmbH hat ein Expertenkreis der Kalksandsteinindustrie den gesamten Lebenszyklus von Kalksandstein detailliert analysiert und daraus Szenarien und Maßnahmen zur CO2-Einsparung abgeleitet. Diese „Roadmap für eine treibhausgasneutrale Kalksandsteinindustrie in Deutschland“ wurde nun veröffentlicht.

Die Erreichung der Klimaziele ist für die deutsche Kalksandsteinindustrie mit tiefgreifenden Veränderungen verbunden. Zentrale Prozesse in den Werken hängen derzeit noch an fossilen Energieträgern. Der Umstieg auf erneuerbare Energien und grünen Wasserstoff erfordert neue Anlagentechnik und ist mit erheblichen Investitionen verbunden. Diese Belastung muss in Zeiten ohnehin steigenden Kostendrucks zusätzlich getragen werden. Da die Kalksandsteinindustrie sehr heterogen ist, sind die Ausgangsbedingungen ganz unterschiedlich. Unsere Aufgabe als Bundesverband ist es, alle Unternehmen bei der Transformation zu unterstützen. Der Technische Ausschuss und die Forschungsvereinigung Kalk-Sand e.V. stehen unseren Mitgliedern dabei mit Rat und Tat zur Seite. In den nächsten Jahren werden die in der Kalksandstein-Roadmap aufgezeigten Technologiepfade hinsichtlich ihrer Umsetzbarkeit durch praxisnahe Forschungsprojekte begleitet. Die Ergebnisse stehen allen Unternehmen zur Verfügung und können von allen genutzt werden.

Die Erreichung der Klimaziele liegt allerdings nicht allein in unserer Hand, sondern wird zu einem nicht unwesentlichen Teil von den vorgelagerten Partnern in der Wertschöpfungskette verursacht. Nur rund ein Drittel der CO2-Emissionen in der Kalksandsteinindustrie entstehen in unserem Produktionsprozess. Der größere, restliche Anteil wird durch die Verwendung des Rohstoffs Kalk „hinzukauft“. Zwei Drittel der uns zugerechneten CO2-Emissionen gehen auf das Konto der Kalkindustrie. Das Bindemittel Kalk ist für die Herstellung von Kalksandsteinen essenziell. In den letzten Jahren konnten wir den Kalkanteil kontinuierlich senken. Parallel dazu entwickeln wir neue Rezepturen mit CO2-ärmeren Kalken und alternativen Bindemitteln.

Die Transformation, die unsere Branche in den nächsten 24 Jahren zu bewältigen hat, ist gewaltig. Damit sie gelingt, muss die neue Bundesregierung ihren Beitrag leisten. Zentrale Aufgaben sind der Ausbau der erneuerbaren Energien sowie der Aufbau einer Wasserstoffinfrastruktur. Die CO2-Steuer erhöht zukünftig den Druck auf alle Marktbeteiligten. Damit die Ressourcenwende die Wettbewerbsfähigkeit der Kalksandsteinindustrie nicht gefährdet, brauchen unsere Unternehmen Förderprogramme, die sie bei Investitionen in die Klimaneutralität unterstützen. Hier muss auf politischer Ebene dafür gesorgt werden, dass die Erreichung der Klimaziele ökologisch, ökonomisch und sozial ausgewogen umgesetzt werden kann. Den Weg in die Klimaneutralität können wir nur gemeinsam mit der gesamten Baubranche, der Politik und den Verbrauchern gehen. Dazu muss der konstruktive Austausch weiter intensiviert werden.

Auch wenn die Erreichung der Klimaziele die wichtigste Zukunftsaufgabe ist, dürfen andere wichtige Aufgaben, wie die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum, nicht vernachlässigt werden. Obwohl 2020 so viele Wohnungen fertiggestellt wurden wie seit zwei Jahrzehnten nicht mehr, fehlen nach Berechnungen des Deutschen Mieterbundes e.V. bundesweit rund 630.000 bezahlbare Wohnungen. Die gegenwärtigen politischen Regularien sind oft praxisfern und bremsen die Bauwirtschaft in ihren Möglichkeiten aus, mehr preisgünstigen Wohnraum zu schaffen. Um diese Herkulesaufgabe zu bewältigen, müssen Industrie und Politik noch enger zusammenarbeiten. Mit einem Anteil von 58 Prozent ist Kalksandstein Marktführer im mehrgeschossigen Wohnungsbau. In innovativen Ansätzen wie dem modularen, seriellen oder zukünftig auch robotergestützten Bauen sehen wir eine Chance, die Lücke zwischen Angebot und Nachfrage perspektivisch zu schließen.

Ob Klimaneutralität, Kreislaufwirtschaft oder bezahlbarer Wohnraum – als Kalksandsteinindustrie stehen wir bereit, alle anstehenden Herausforderungen jetzt anzupacken!