Herbstgutachten 2024 der Wirtschaftsforschungsinstitute
Die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute haben ihr diesjähriges Herbstgutachten mit dem Titel „Deutsche Wirtschaft im Umbruch – Konjunktur und Wachstum schwach“ vorgelegt. Nachdem die Wachstumsprognose im Frühjahr bereits deutlich nach unten korrigiert worden war, erwarten die Institute nunmehr erst für 2026 eine Rückkehr zu signifikantem Wachstum.
Entsprechend dürfte das Bruttoinlandsprodukt (BIP) 2024 um real -0,1% schrumpfen (bisherige Prognose: +0,1%). Für 2025 werden +0,8%, für 2026 +1,3% prognostiziert. Damit liegt die Wirtschaftsleistung im laufenden Jahr nur marginal oberhalb des Niveaus des Jahres 2019.
Die sich überlagernden Wirkungen von Strukturwandel und konjunktureller Flaute zeigen sich besonders im Verarbeitenden Gewerbe. Betroffen sind vor allem die Investitionsgüterhersteller und energieintensive Industriezweige, deren Wettbewerbsfähigkeit unter den gestiegenen Energiekosten und der zunehmenden Konkurrenz durch hochwertige Industriegüter aus China leidet.
- Die Binnennachfrage dürfte im Prognosezeitraum leicht zulegen. Der private Konsum konnte die Wirtschaft im ersten Halbjahr 2024 zwar stützen, die erhoffte Belebung blieb aber trotz kräftig gestiegener real verfügbarer Einkommen aus. So hat sich die Sparquote vier Quartale hintereinander erhöht und verharrt über ihrem langfristigen Niveau. Für 2024 ist beim privaten Konsum ein leichtes Plus (real +0,4%) zu erwarten, das sich in den beiden Folgejahren erhöht (+0,9% bzw. +1,0%). Der Staatskonsum dürfte hingegen an Dynamik verlieren. Bei den Ausrüstungsinvestitionen ist 2024 angesichts der schlechten wirtschaftlichen Lage trotz deutlicher Ausweitung der Investitionen des Staates von einem kräftigen Minus auszugehen (-6,7%). Für 2025 rechnen die Institute mit Stagnation (+0,5%) und für 2026 mit einer positiven Gegenbewegung (+5,0%).
- Die schwache Entwicklung der deutschen Industrie schlägt sich weiterhin auf den Außenhandel nieder. Die Institute rechnen in Bezug auf die Exporte für 2024 mit einer Fortsetzung der Stagnationsphase (-0,1%) und mit moderaten Zuwächsen in den beiden Folgejahren.
- Die wieder niedrigere Inflation stützt die Kaufkraft der privaten Haushalte. Die Institute erwarten, dass die Inflation im laufenden Jahr mit 2,2% und 2,0% in den Jahren 2025 und 2026 wieder in der Nähe der EZB-Zielmarke liegen wird und wohl hauptsächlich von der Teuerung im Dienstleistungsbereich getragen werden wird.
- Auf dem Arbeitsmarkt zeigt der wirtschaftliche Stillstand mittlerweile deutlichere Spuren: Die Zahl der Arbeitslosen ist zuletzt weiter leicht gestiegen. Erst im Verlauf des kommenden Jahres, wenn sich die wirtschaftliche Aktivität allmählich erholt, dürfte die Arbeitslosigkeit wieder zurückgehen. Es zeigt sich allerdings weiterhin, dass die Unternehmen angesichts der absehbaren Fachkräftelücke versuchen, ihre Beschäftigten zu halten. Die Arbeitslosenquote dürfte 2024 auf 6,0% steigen (2023: 5,7%) und erst 2026 wieder sinken.
- Für die Baukonjunktur sind die Institute unter dem Titel „Talsohle bei den Bauinvestitionen in Sicht“ erst für 2026 vorsichtig optimistisch:
„Die Bauinvestitionen sind in der ersten Hälfte dieses Jahres weiter zurückgegangen
(-1,2%). Im ersten Quartal wurden die Bauinvestitionen zwar um 0,8% ausgeweitet, was maßgeblich vom öffentlichen Bau getragen wurde, der um 7,2% zulegte. Allerdings hat der Anstieg die konjunkturelle Dynamik wie schon in den ersten Quartalen der vergangenen Jahre überzeichnet, da die Saisonbereinigung die tendenziell immer milderen Winter wohl nur unzureichend berücksichtigt. Im zweiten Quartal setzten die Bauinvestitionen ihren Abwärtstrend fort und sanken um 2,0%. Maßgeblich hierfür war der Rückgang des besonders zinsreagiblen Wohnbaus um 2,3%. Der Rückgang im Nichtwohnbau fiel dagegen weniger deutlich aus, was vor allem auf den Tiefbau zurückzuführen sein dürfte, dessen Kapazitätsauslastung bis zuletzt deutlich über der des Hochbaus lag.
Für das dritte Quartal rechnen die Institute mit einem weiteren Rückgang der Bauinvestitionen um 0,9%. Die Bauproduktion blieb bis zuletzt verhalten, und die Kapazitätsauslastung im Baugewerbe war nach den vorliegenden Monatswerten im dritten Quartal rückläufig. Vor allem die anhaltend hohen Baupreise und schwierigen Finanzierungsbedingungen wirken hier dämpfend.
Im Schlussquartal dieses Jahres sowie im kommenden Jahr dürfte sich die zweigeteilte Entwicklung von Hoch- und Tiefbau fortsetzen. So bewegen sich die Auftragseingänge im Tiefbau weiterhin auf hohem Niveau und waren im Juli erneut aufwärtsgerichtet. Dagegen bleibt die Lage im Hochbau und hier insbesondere im Wohnungsbau angespannt, was sich in der geringen Zahl an Baugenehmigungen niederschlägt. Dementsprechend liegt die Auftragsreichweite im Wohnbau mit einem Wert von knapp über drei Monaten so niedrig wie zuletzt Anfang des Jahres 2016, obwohl sich deren Rückgang zuletzt etwas abgeschwächt hatte. Auf der Finanzierungsseite gibt es hingegen erste positive Signale. Der Zinssatz für Immobilienkredite ist seit Anfang August leicht gesunken, und die Zahl der neu abgeschlossenen Hypothekenverträge steigt im Vorjahresvergleich seit Jahresbeginn. Auch beim nominalen Neukreditvolumen ist ein moderater Anstieg zu beobachten, wenngleich die weiter steigenden Baupreise der Ausweitung der realen Wohnbautätigkeit entgegenwirken. Das Geschäftsklima der Bauunternehmen bleibt hingegen angespannt, auch wenn sich die Erwartungen leicht aufgehellt haben. Zukünftig dürfte das Wachstumschancengesetz, vor allem über die Sonderabschreibungen für den Neubau von Mietwohnungen, stützend wirken. Der Nichtwohnbau dürfte seine stabilisierende Wirkung beibehalten. Im Tiefbau beurteilen die Bauunternehmen Umfragen zufolge ihrer Geschäftslage positiv, und die Geschäftserwartungen sind dort – ebenso wie im Nichtwohnhochbau – leicht aufwärtsgerichtet. Auch stieg die Zahl der Aufträge im Wirtschaftsbau und im öffentlichen Bau im ersten Halbjahr deutlich. Die Aufträge dürften im weiteren Prognosezeitraum abgearbeitet werden. Im Tiefbau dürften der Ausbau und die Instandhaltung der Strom-, Schienen- und Straßennetze eine wichtige Rolle spielen. Dämpfend wird dagegen die knappe Kassenlage vieler Kommunen wirken.
Insgesamt erwarten die Institute für die Bauwirtschaft eine verhaltene Entwicklung. Die Bauinvestitionen dürften in diesem Jahr um 3,6 % abnehmen. Im kommenden Jahr werden sie dann, bestimmt vom weiterhin schwachen Wohnbau, wohl um etwa 0,4% zurückgehen, bevor sie im Jahr 2026 mit einem Plus von 2,8% wieder merklicher steigen.
Die Baupreisentwicklung hat nach einer Abschwächung zum Jahresende 2023 in der ersten Jahreshälfte erneut merklich angezogen. Auch die ifo Baupreiserwartungen waren zuletzt wieder aufwärtsgerichtet. Aus Unternehmensumfragen zur Selbstkostendeckung der erzielten Baupreise ergibt sich gegenwärtig kein Spielraum für Baupreissenkungen. Die Institute gehen davon aus, dass die Baupreise in diesem Jahr um 2,9% gegenüber dem Vorjahr steigen. In den kommenden Jahren dürfte der Preisauftrieb nachlassen (1,3% im Jahr 2025 und 1,6% im Jahr 2026).“
Auch wenn die Institute ab 2026 wieder etwas höhere Wachstumsraten erwarten, gehen sie insbesondere aufgrund des demografischen Effekts und den Auswirkungen der Transformation für die Industrie von dauerhaft geringerer wirtschaftlicher Expansion aus. Insofern mahnen sie einen Kurswechsel in der Wirtschaftspolitik an und sprechen sich für den Abbau von Produktionshemmnissen, mehr Verlässlichkeit, eine stärkere Nutzerfinanzierung der Infrastruktur und eine Überprüfung der Förderpolitik aus. Eine erfolgreiche Transformation sei eher übersteigende CO2-Preise als durch die Subvention einzelner grüner Technologien erreichbar. Negative Effekte etwa für die Grundstoffindustrien werden allerdings nicht thematisiert. Anreize für die Ausweitung des Arbeitsangebots, etwa zur Beschäftigung Älterer, zu begrüßen, während die Institute das geplante Rentenpaket aufgrund der damit einhergehenden deutlich steigenden Rentenversicherungsbeiträgen kritisch sehen.
Die Tabellen zu den Eckdaten der Prognose sowie zu den realen Veränderungen der Bauinvestitionen finden Sie hier.
Das vollständige Gutachten ist auf den Websites der beteiligten Institute abrufbar, etwa beim DIW Berlin hier.