Frühjahrsgutachten 2024 der Wirtschaftsforschungsinstitute
Die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute haben ihr Frühjahrsgutachten mit dem Titel „Deutsche Wirtschaft kränkelt – Reform der Schuldenbremse kein Allheilmittel“ vorgelegt. Darin erwarten sie, anders als noch im Herbst 2023, dass sich der wirtschaftliche Aufschwung verzögert und erst 2025 wieder signifikantes Wachstum zurückkehrt.
Entsprechend dürfte das Bruttoinlandsprodukt (BIP) 2024 nach dem Vorjahresrückgang von -0,3% mit real +0,1% nahezu stagnieren; für das kommende Jahr werden +1,4% prognostiziert. Damit liegt die Wirtschaftsleistung weiterhin kaum über dem Vor-Corona-Niveau. Die seitdem deutlich gestiegene Erwerbstätigkeit wirkt kaum wachstumsfördernd, da sie im Wesentlichen nur die niedrigere durchschnittlich geleistete Arbeitszeit kompensiert.
- Die Binnennachfrage dürfte sich 2024 durchwachsen entwickeln. Dabei sind die Aussichten für den privaten Konsum recht gut (Prognose: 2024 +0,9%, 2025 +1,3%), hier spiegeln sich insbesondere die Reallohnzuwächse infolge der nachlassenden Inflation wider. Auch der staatliche Konsum wird voraussichtlich weiter zulegen. Die Investitionen in Ausrüstungen dürften hingegen 2024 angesichts hoher Unsicherheit bei den Unternehmen und hoher Finanzierungs-kosten schwach verlaufen und erst im kommenden Jahr wieder anziehen (-1,8%, 2025: +3,3%). Dabei sind die Ausrüstungsinvestitionen der öffentlichen Hand infolge hoher Militärausgaben allerdings in beiden Jahren deutlich expansiv.
- Die schwache Entwicklung des Außenhandels in den vergangenen Jahren war u.a. auf die gedämpfte Nachfrage nach Investitions- und Vorleistungsgütern zurückzuführen. Die Institute rechnen damit, dass sich der Abwärtstrend bei den Exporten 2024 noch fortsetzt (-1,0%) und die Ausfuhren 2025 wieder moderat zulegen (+3,1%).
- Die Entwicklung der Verbraucherpreise hatte sich im Jahresverlauf 2023 nach kräftigen Zuwächsen zum Jahresanfang zunehmend beruhigt. Die Institute erwarten für 2024 und 2025 eine Fortsetzung der Stabilisierung. So dürften die Energiepreise für den Endverbraucher trotz preistreibender Effekte wie der Rückkehr zum Mehrwertsteuer-Regelsatz für Erdgas alles in allem sinken. Die Institute erwarten für 2024 eine Inflationsrate von 2,3%. 2025 dürfte der Verbraucherpreisanstieg mit 1,8% dann wieder unterhalb des Inflationsziels der EZB liegen.
- Die Lage am Arbeitsmarkt hat sich angesichts der schwachen Konjunkturlage zuletzt verschlechtert. Dabei war auch ein Kapazitätsabbau in der energieintensiven Industrie spürbar. Die Zahl der Arbeitslosen, die saisonbereinigt seit Mitte 2022 zugenommen hat, dürfte ab Mitte 2024 wieder zurückgehen, allerdings ist nur ein langsamer Beschäftigungsaufbau zu erwarten. Somit dürfte die Arbeitslosenquote 2024 auf 5,8% steigen und 2025 auf 5,5% sinken
(2022: 5,3%, 2023: 5,7%).
- Für die Baukonjunktur sind die Institute unter dem Titel „Wohnbau vorerst weiter auf Talfahrt – Nichtwohnbau stabilisiert“ weiterhin nicht optimistisch:
„Der Bau steckt weiterhin tief in der Rezession. Im Jahr 2023 gingen die Bauinvestitionen bereits zum dritten Mal in Folge zurück. Nach einem Anstieg zum Jahresauftakt ging es wieder drei Quartale abwärts, zuletzt sogar beschleunigt um 1,7%, wobei auch die schlechte Witterung eine Rolle spielte. Die Baurezession ist vor allem bei den Wohnbauten ausgeprägt, die sich bereits seit mehreren Jahren äußerst schwach entwickeln und im vierten Quartal erneut um 2,7% sanken. Dabei dürften die bis ins Jahr 2023 stark gestiegenen Hypothekenzinsen sowie die nach wie vor hohen Baupreise dämpfend gewirkt und vor allem private Haushalte von Wohnbauprojekten abgehalten haben. Der Rückgang war im Nichtwohnbau weniger deutlich ausgeprägt (-0,3%) – besonders der Wirtschaftsbau wirkte stabilisierend und konnte leicht zulegen (0,2%), die Investitionen der öffentlichen Hand waren hingegen rückläufig (-1,2%).
Im weiteren Prognosezeitraum dürften vor allem die Wohnbauinvestitionen noch weitere Rückgänge verzeichnen. Die Lageeinschätzungen der Wohnungsbauunternehmen markieren laut ifo-Umfragen nach wie vor ein historisch niedriges Niveau. Auch die Geschäftserwartungen lassen in der kurzen Frist kaum auf Besserung hoffen. Ebenso wirken die immer noch hohen Finanzierungskosten weiterhin bremsend, im Vergleich zum Vorjahresquartal verzeichneten die Baugenehmigungen für Wohnungen im Januar einen Rückgang von 23,5%. Mit einer Stabilisierung der Wohnbauinvestitionen ist erst zum Jahresende zu rechnen. Für das kommende Jahr wird dann ein leichter Zuwachs erwartet. Am aktuellen
Rand deutet sich ein Anstieg neu abgeschlossener Hypothekenkredite an, der sich im Jahresverlauf in höheren Auftragseingängen bemerkbar machen dürfte. Etwas geringere Zinsen in Kombination mit steigenden verfügbaren Einkommen dürften das Verhältnis von Annuitäten und Einkommen für private Haushalte im Prognoseverlauf verbessern. Hierzu tragen auch die bereits gesunkenen Bodenpreise bei. Zudem sollten leicht nachgebende Wohnungsbaupreise den Bau neuer Wohnungen erschwinglicher machen. In Relation zum ungebrochen hohen Bedarf bleibt die Entwicklung der Wohnbauinvestitionen im Prognosezeitraum jedoch sehr schwach. Daran können auch die aufgestockten Förderprogramme
(z. B. „Klimafreundlicher Neubau“, „Wohneigentum für Familien“) kaum etwas ändern.
Der Nichtwohnbau dürfte die Bauinvestitionen im Prognosezeitraum stützen. Besonders aus dem Tiefbau ist mit positiven Impulsen zu rechnen: Verglichen mit einer schwachen Produktion zum Jahresende legte der Tiefbau im Januar mit 5,1% deutlich zu. Auch die Einschätzung der Produktionsentwicklung in den vergangenen drei Monaten war laut ifo-Umfragen im März zum ersten Mal seit einem Jahr wieder positiv. Ebenfalls ist der Auftragsbestand, insbesondere im gewerblichen Tiefbau, im vergangenen Jahr kräftig gestiegen. Dafür dürften insbesondere Neuaufträge für den Ausbau des Schienennetzes der Deutschen Bahn sowie der Energienetze gesorgt haben, die wohl ab der zweiten Jahreshälfte 2024 und vor allem im kommenden Jahr zunehmend in Produktion umgesetzt werden. Bauprojekte der öffentlichen Hand dürften den Nichtwohnbau dagegen hauptsächlich in diesem Jahr stützen: Die Kassenlage der Kommunen ist aktuell solide und erlaubt es, Investitionspläne im Jahresverlauf in die Tat umzusetzen. Vor allem im öffentlichen Hochbau sind die Auftragsbücher nach wie vor gut gefüllt und dürften auch im kommenden Jahr für eine positive Dynamik sorgen. Allerdings ist aufgrund notwendiger Konsolidierungsmaßnahmen des Bundes auf kommunaler Ebene mittelbar mit einer Verschlechterung der Kassenlage zu rechnen, so dass sich die öffentlichen Bauinvestitionen wohl zum Ende des Prognosezeitraums abschwächen.
Gemessen am Deflator der Bauinvestitionen haben sich Neubauten in den vergangenen drei Jahren um 37,6% überaus kräftig verteuert, was sich nicht allein auf gestiegene Materialkosten zurückführen lässt. So zog der Deflator der Bruttowertschöpfung im Baugewerbe um 56% an, während er im gesamtwirtschaftlichen Durchschnitt um 17% zunahm. Dies lässt auf eine sehr kräftige Nachfrage schließen, die auf beschränkte Kapazitäten gestoßen ist. So wurden seitens der privaten Haushalte während der Pandemie erhebliche Extraersparnisse gebildet, die als zusätzliche Kaufkraft die Wohnungsnachfrage angeregt haben dürften. Hierauf deutet auch die Entwicklung der Finanzierungssalden der privaten Haushalte in diesem Zeitraum hin. Diese nahmen im Jahr 2020 kräftig zu und drehten dann bis zum Jahr 2022 deutlich ins Minus. Zudem traten infolge gestörter Lieferketten vermehrt Materialknappheiten auf, die die Produktionsmöglichkeiten im Baubereich beeinträchtigt haben. Im vergangenen Jahr legten die Baupreise zwar noch einmal deutlich zu (7,9%), im Jahresverlauf ließ die Preisdynamik allerdings merklich nach. Diese Abschwächung dürfte sich in Anbetracht der nunmehr niedrigen Kapazitätsauslastung und gesunkener Materialpreise in diesem Jahr fortsetzen und zu Preisrückgängen im Quartalsverlauf führen. Im Jahresdurchschnitt dürfte der Deflator der Bauinvestitionen dann in diesem und im kommenden Jahr in etwa stagnieren.
Insgesamt rechnen die Institute mit einem weiteren Rückgang der Bauinvestitionen um 2,2% im laufenden Jahr. Sinkende Zinsen, kräftig steigende Einkommen und stagnierende Baupreise dürften dann die Wende einleiten und die Bauinvestitionen im Jahr 2025 erstmals seit dem Jahr 2020 wieder steigen lassen (1,0%).“
In ihren weiteren Überlegungen befassen sich die Institute u.a. mit der Diskussion zur Reform der Schuldenbremse sowie mit der wirtschaftlichen Bedeutung der Migration. Dabei sprechen sie sich grundsätzlich für eine Beibehaltung der Schuldenbremse und ggf. behutsame Anpassungen aus, fordern aber die Reform des gesamtstaatlichen Finanzgefüges, um kommunale Investitionen stärker von der Haushaltssituation in Bund und Ländern zu entkoppeln. Im Hinblick auf die Zuwanderung, die bereits heute von großer Bedeutung für den Arbeitsmarkt ist, werben sie für verbesserte Anreize für eine höherqualifizierte Immigration sowie eine Verringerung bürokratischer Hürden.
Das vollständige Gutachten finden Sie hier.